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Enrichment in der Haltung von Labornagern

Enrichment gilt als wesentlicher Faktor für die Verbesserung und das Wohlergehen der Tiere in der Labortierhaltung. Ziel des Enrichments ist es, die Umgebung so artgerecht wie möglich zu gestalten, damit die Tiere ihre natürlichen Bedürfnisse und Verhaltensmuster ausleben können. Dies darf jedoch weder die Versuchstiere selbst, noch die Menschen, die mit ihnen arbeiten, oder die Forschung gefährden.1

Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit oder der Ergonomie wird das Enrichment oft vernachlässigt. Dennoch gibt es neben der moralischen Verpflichtung auch eine gesetzliche Vorgabe, die Bedürfnisse von „Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden“ zu erfüllen. Artikel 33 „über Pflege und Unterbringung“ der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates besagt, dass für alle Tiere „eine angemessene Unterbringung, Umgebung, notwendige Nahrung, Wasser und Pflege“ für ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen bereitgestellt werden müssen. Darüber hinaus müssen „alle Faktoren, die ein Tier in der Befriedigung seiner physiologischen und ethologischen Bedürfnisse einschränken“, minimiert werden.2

Grundsätzlich wird zwischen sozialem Enrichment und Umweltenrichment unterschieden. Da Labornager wie Mäuse und Ratten soziale Arten sind, sollten sie vorzugsweise in Gruppen gehalten werden. Das Umweltenrichment umfasst hauptsächlich die Ausstattung und den Bau des Käfigs, aber auch die Ernährung der Tiere. So ist z.B. Material für den Nestbau ein wichtiger Bestandteil, um den Nagern ein artgerechtes Umfeld zu bieten. Denn es ist bekannt, dass sowohl weibliche Tiere, unabhängig von ihrer Zyklusphase, als auch männliche Tiere Nester bauen. In ähnlicher Weise bieten Nagehölzer oder ein mehrstöckiger Käfig eine abwechslungsreichere Umgebung für Labornager.3

Es hat sich gezeigt, dass Enrichment je nach Dauer, Darbietungsform und Art Faktoren wie Verhalten, Physiologie und sogar die Gehirnstruktur von Labortieren beeinflussen kann. In einigen Studien, z.B. zu therapeutischen Möglichkeiten für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Schlaganfall, werden verschiedene Arten von Enrichment gezielt eingesetzt. Es ist bekannt, dass Tiere durch Enrichment im Hinblick auf ihre kognitiven und motorischen Fähigkeiten gefördert werden und auch ein geringeres Angstverhalten zeigen. Darüber hinaus führt eine artgerechte Haltung zu einer deutlichen Reduzierung von Stress und der Entwicklung von Verhaltensstereotypien.4

Diese Abbildung aus dem Artikel mit dem Titel „Enriched environments, experience-dependent plasticity and disorders of the nervous system“ (Verbesserte Umgebungen, erfahrungsabhängige Plastizität und Störungen des Nervensystems) veranschaulicht die Gehirnregionen, die durch verschiedene Arten des Enrichments angesprochen werden. Somatosensorische (rot) und visuelle Reize (orange) stimulieren den entsprechenden Bereich im Kortex. Der Hippocampus wird durch kognitives Beschäftigungsmaterial (blau) beansprucht. Die Stimulation des motorischen Cortex und des Kleinhirns erfolgt durch Aktivitäten wie Fahrradfahren (grün).5

 

Quelle: https://www.nature.com/articles/nrn1970

Ein häufiges Argument gegen den Einsatz von unterschiedlichem Enrichment ist die Reproduzierbarkeit der Forschung. Aber auch in traditionellen Haltungssystemen kommt es zu Abweichungen bei den Ergebnissen. L. Lewejohann et al. weisen u.a. in einer Verhaltensstudie an Mäusen nach, dass nicht die umwelt- oder gar experimentell bedingte Variabilität entscheidend für Unterschiede in den Ergebnissen ist. Vielmehr ist eine generelle Standardisierung des Experiments wichtig, um die Reproduzierbarkeit zu gewährleisten.6

Dementsprechend sollte eine artgerechte, vielfältige Umgebung kein Luxus sein, sondern zum Wohle der Tiere standardisiert eingesetzt werden. Mieske et al. haben in ihrem Review „Bored at home? A systematic review on the effect of environmental enrichment on the welfare of laboratory rats and mice“ (Eine systematische Übersicht über die Auswirkungen von Umweltenrichment auf das Wohlergehen von Laborratten und Mäusen) nach Enrichment gesucht, welches zur Verbesserung des Wohlergehens von Labornagern und zur Verringerung von Verhaltensweisen, die mit Langeweile beim Menschen vergleichbar sind, führt. Diese Grafik zeigt die Auswirkungen der Ausgestaltung der Umgebung auf verschiedene Parameter wie Aktivität, Corticosteron usw., inc steht für Zunahme, dec für Abnahme und neutral für keine Veränderung.

Quelle: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fvets.2022.899219/full

 

Quellen:

1) Baumans V. Environmental enrichment for laboratory rodents and rabbits: requirements of rodents, rabbits, and research. ILAR J. 2005;46(2):162-70. doi: 10.1093/ilar.46.2.162. PMID: 15775025
2) RL 2010/63/EU
3) Lewejohann L. Enrichment für Versuchstiere. Leipziger Blaue Hefte, S.452-457 (2019)
4) van Praag H, Kempermann G, Gage FH. Running increases cell proliferation and neurogenesis in the adult mouse dentate gyrus. Nat Neurosci. 1999 Mar;2(3):266-70. doi: 10.1038/6368. PMID: 10195220 Olsson IAS, Dahlborn K. Improving housing conditions for laboratory mice: a review of ‘environmental enrichment’. Lab Anim 2002; 36: 243–270. Lewejohann L. Enrichment für Versuchstiere. Leipziger Blaue Hefte: 452-457 (2019) Benaroya-Milshtein N, Hollander N, Apter A, Kukulansky T, Raz N, Wilf A, et al. Environmental enrichment in mice decreases anxiety, attenuates stress responses and enhances natural killer cell activity. Eur J Neurosci. (2004) 20:1341– 7. doi: 10.1111/j.1460-9568.2004.03587.x Garner JP. Stereotypies and other abnormal repetitive behaviors: Potential impact on validity, reliability, and replicability of scientific outcomes. ILAR J. (2005) 46:106–17. doi: 10.1093/ilar.46.2.106
5) Nithianantharajah J, Hannan A. Enriched environments, experience-dependent plasticity and disorders of the nervous system. Nat Rev Neurosci 7, 697–709 (2006). https://doi.org/10.1038/nrn1970)
6) Lewejohann L, Reinhard C, Schrewe A, Brandewiede J, Haemisch A, Görtz N, Schachner M, Sachser N. Environmental bias? Effects of housing conditions, laboratory environment and experimenter on behavioral tests. Genes Brain Behav. 2006 Feb;5(1):64-72. doi: 10.1111/j.1601-183X.2005.00140.x. PMID: 16436190. Würbel, H. Behavioral phenotyping enhanced – beyond(environmental) standardization. Genes Brain Behav1, 3–8 (2002)

 

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