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Die Ungerechtfertigkeit moribunder Tierversuche

Die Verwendung von Tieren zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ist nach wie vor in vielen Bereichen unersätzlich. Durch die europäische Richtlinie 2010/63/EU, welche in Österreich durch das Tierversuchsgesetz 2012 (TVG 2012) umgesetzt wurde, werden gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, deren oberstes Ziel ist, das „Wohlergehen von Tieren“ als „Wert der Union“ sicherzustellen. Demnach wird ein Projekt nur genehmigt, welches „aus wissenschaftlicher oder pädagogischer Sicht gerechtfertigt oder gesetzlich vorgeschrieben“ ist. Gleichzeitig wird durch das Gesetz festgelegt, dass „mögliche Schmerzen, Leiden, Ängste oder dauerhafte Schäden ausgeschaltet oder auf ein Minimum reduziert werden“ müssen. Des Weiteren gilt, dass „der Tod als Endpunkt eines Verfahrens möglichst zu vermeiden“ sowie „durch frühe und möglichst schmerzlose Endpunkte zu ersetzen" ist.1

Innerhalb der biomedizinischen Forschung gibt es einige Bereiche, in deren Versuchen mit einem höheren Belastungsgrad der verwendeten Versuchstiere zu rechnen ist. Dazu zählen zum Beispiel Krebs- und Infektionsstudien, sowie Modelle zur Überprüfung der Wirksamkeit und Toxizität eines Wirkstoffes. Humane Endpunkte stellen Abbruchkriterien dar, welche zur sofortigen Erlösung eines betroffenen Tieres in einem Versuch führen müssen. Diese müssen bereits vor Versuchsbeginn im Projektantrag genau definiert werden. Abgesehen von einer gesetzlichen und zusätzlich moralischen Verpflichtung, jegliches Leid im Tierversuch zu verhindern, ist es auch im Sinne der Wissenschaft für zeitgerechte Abbruchkriterien zu sorgen, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erhalten. Denn wenn ausreichend aussagekräftige Daten gewonnen werden konnten und das angestrebte Versuchsziel erreicht wurde, so ist das Fortfahren des Versuches nicht notwendig und Tiere können zeitgerecht erlöst oder von Schmerzen befreit werden. Der moribunde Ausgang eines Versuches ist nicht nur grausam und gegen jegliches Tierwohl, sondern noch zusätzlich als ein Verlust von Erkenntnis zu betrachten. Wird ein Tier nämlich zu einem bestimmten und festgelegten Zeitpunkt getötet, so kann noch eine Vielzahl an pathologischen Daten erhoben werden. Ein Tier das irgendwann im Laufe des Versuchs unbemerkt zu Grunde geht, ist aufgrund von autolytischen Prozessen für viele Untersuchungen unbrauchbar. Des Weiteren kann der physische und psychische Gesundheitszustand des Versuchstiers zur Beeinflussung von Ergebnissen sorgen, wodurch sogar das Versuchsziel verfehlt werden könnte.1

Score Sheets sind ein geeignetes Hilfsmittel zur Beurteilung des Gesundheitszustands eines Tieres. Prinzipiell gibt es verschiedenste Faktoren, die zur Einstufung des Zustands und somit zur Feststellung von Humane Endpunkten dienen. Orientierung bieten klinische Symptomatik, sämtliche pathophysiologische Veränderungen sowie Verhaltensänderungen, aber auch biochemische und hormonelle Veränderungen. Zusätzlich kann zwischen präklinischen und nicht-klinischen Endpunkten unterschieden werden. Präklinisch bedeutet, dass eine Beurteilung bereits vor Auftreten klinischer Symptome erfolgen kann. Daten können mittels nicht-invasiver Messmethoden bereits in der Präklinik erhoben werden. Ein Beispiel hierfür wäre der Einsatz molekularbiologischer Verfahren, wie das der Biolumineszenzmarkierung von Tumorzellen, wodurch die Metastasierung eines Tumors im Körper beobachtet werden kann. Somit wird die Beendigung des Versuchs vor Auftreten einer klinschen Symptomatik ermöglicht. Unter nicht-klinischen Endpunkten wird der Einsatz von Verfahren vestanden, welche zu einem Ersatz von Methoden führen, die eine klinische Symptomatik verursachen. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Impfstoff Herstellung. Zur Testung einer neuen Vakzine wurden Tiere nach erfolgter Impfung mit dem betreffenden virulenten Pathogen oder dessen Toxin infiziert um die Wirksamkeit der Immunisierung zu überprüfen. Dank neuer Methodik ist es heutzutage bei der Herstellung vieler Impfstofftypen möglich, die gewünschten Informationen ohne Infektion der Versuchstiere zu gewinnen. So können mittels einer Antikörpertiterbestimmung aus dem Blut Daten zum Impfschutz bestimmt werden. All die genannten Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung von Schmerzen und sonstigen Belastungen der Tiere bieten die Möglichkeit im Sinne des Refinements, einem der 3R von Russell und Burch, zu handeln.1

Folgende Artikel beschäftigen sich mit Methoden zur Feststellung eines humanen Endpunktes im Tierversuch:

  • Gavin HE, Satchell KJF. Surface hypothermia predicts murine mortality in the intragastric Vibrio vulnificus infection model. BMC Microbiol. 2017 Jun 19;17(1):136. doi: 10.1186/s12866-017-1045-z. PMID: 28629317; PMCID: PMC5477130.
  • Koch A, Gulani J, King G, Hieber K, Chappell M, Ossetrova N. Establishment of Early Endpoints in Mouse Total-Body Irradiation Model. PLoS One. 2016 Aug 31;11(8):e0161079. doi: 10.1371/journal.pone.0161079. PMID: 27579862; PMCID: PMC5007026.
  • Ernest D. Olfert, Dale L. Godson, Humane Endpoints for Infectious Disease Animal Models, ILAR Journal, Volume 41, Issue 2, 2000, Pages 99–104, https://doi.org/10.1093/ilar.41.2.99 
  • Coenraad F. M. Hendriksen, Björn Steen, Refinement of Vaccine Potency Testing with the Use of Humane Endpoints, ILAR Journal, Volume 41, Issue 2, 2000, Pages 105–113, https://doi.org/10.1093/ilar.41.2.105
  • Kort WJ, Hekking-Weijma JM, Tenkate MT, Sorm V, VanStrik R. A microchip implant system as a method to determine body temperature of terminally ill rats and mice. Laboratory Animals. 1998;32(3):260-269. doi:10.1258/002367798780559329 
  • Kobaek-Larsen M, Rud L, Oestergaard Soerensen F, Ritskes-Hoitinga J. Laparoscopy of rats with experimental liver metastases: a method to assess new humane endpoints. Laboratory Animals. 2004;38(2):162-168. doi:10.1258/002367704322968849
  • Hickman DL, Swan M. Use of a body condition score technique to assess health status in a rat model of polycystic kidney disease. J Am Assoc Lab Anim Sci. 2010 Mar;49(2):155-9. PMID: 20353688; PMCID: PMC2846001.

Anhand der hier gelisteten Publikationen wird gezeigt, dass zahlreiche Forschungsgruppen bereits verschiedenste Methoden eingesetzt haben um den moribunden Ausgang von Tierversuchen zu verhindern. Nichtsdestotrotz besteht noch genügend Bedarf gängige Methoden zu optimieren sowie weitere Techniken zu entwickeln um die Moribundität im Versuch zu ersetzen. Es liegt in der Verantwortung zukünftiger Wissenschaftler*innen einen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels zu leisten und somit für das Wohl der verwendeten Tiere zu sorgen.

Quellen:
RL 2010/63/EU
https://www.humane-endpoints.info/de/zu-dieser-website/zweck-der-website, Zugriff am 16.03.2023
Morton, David. (1998). Humane endpoints in animal experimentation for biomedical research: ethical, legal and practical aspects. Humane Endpoints in Animal Experiments for Biomedical Research.

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